Kongo by David van Reybrouck

Kongo by David van Reybrouck

Autor:David van Reybrouck
Die sprache: de
Format: mobi
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2012-04-27T22:00:00+00:00


Bei einem unserer Gespräche holte Jamais Kolonga ein merkwürdiges, stark zerknittertes Foto hervor. Eine kleine Gruppe junger Männer stand mit strahlenden Gesichtern um einen Tisch. In der Mitte erkannte ich sofort den jungen Mobutu. Schon damals sah er aus wie ein afrikanisches remake von König Baudouin. »Das war am fünfunddreißigsten Geburtstag von Mobutu. Die Feier war im Restaurant des Zoos, dem besten Restaurant der Stadt.« Es war der 14. Oktober 1965, einen Tag nach der Absetzung Tschombés. »Hier links steht Isaac Musekiwa, Trompeter bei OK Jazz, daneben Paul Mwanga, Sänger bei OK Jazz, dann ich, Jamais Kolonga, neben Mobutu! Rechts stehen die Männer von African Jazz. Erst der Sänger Mujos und dann der große Kabasele selbst. Das hier ist Roger Izeidi, von OK Jazz. Und ganz rechts, das ist niemand Geringeres als Franco!« Die Elite der kongolesischen Musik versammelte sich an diesem Abend um den höchsten Befehlshaber der Armee; es war so, als wären die Beatles und die Stones zusammen mit dem Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte auf einem Foto zu sehen. Jean Lema alias Jamais Kolonga schwelgte noch einmal in Erinnerungen. »Weißt du, was Mobutu mir an dem Abend verraten hat? Ich hatte 1960 drei Monate mit ihm im Dienst von Lumumba zusammengearbeitet. ›Jean‹, sagte er, ›in einem Monat bin ich Präsident der Republik.‹«106

Und so kam es auch. Am 24. November 1965, dieses Datum weiß jeder Kongolese auswendig, rief Mobutu um neun Uhr abends alle hohen Kommandanten der Streitkräfte in seiner Residenz in der Hauptstadt zusammen. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich Akten, Zeitungen und Zeitschriften. Den ganzen Tag hatte er an Sitzungen teilgenommen, und sein Entschluss stand fest: Er würde Staatsoberhaupt werden. Die Erste Republik war auf eine totale Katastrophe hinausgelaufen. Er musste Ordnung schaffen. Wenn Kasavubu die Machenschaften von vor fünf Jahren wiederholte, dann würde er, Mobutu, seinen Staatsstreich wiederholen, und diesmal nicht für die Dauer von fünf Monaten, sondern für fünf Jahre. Einem Mitarbeiter diktierte er eine Presseerklärung, ein Leutnant musste den Text für die Übertragung im Rundfunk einsprechen, ein Major sabotierte unterdessen Kasavubus Telefonleitung. Alle versicherten ihm seine Unterstützung. Das Bier floss in Strömen. Madame Mobutu bewirtete die Anwesenden mit Fisch und Kochbananen. Sie war allerdings sehr besorgt: »Hört doch auf mit dem Unsinn. Wenn sie euch fassen, werdet ihr alle ermordet«, flüsterte sie ihrem Schwager zu. Aber um halb drei Uhr morgens schenkte sie jedem ein Glas Champagner ein. Drei Stunden später sendete der Rundfunk die Nachricht vom Staatsstreich.107 Den ganzen Tag war dann nur noch Marschmusik zu hören. Die Erste Republik war vorbei. Kein Schuss war gefallen. Der Kampf um den Thron war entschieden. Jeder der vier Protagonisten hatte seine finest hour versprochen, aber es war Mobutu, der den Ruhm einstrich.



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